OTTO JUNGWIRTH - EIN ÖSTERREICHISCHER MALER
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Vernissage Stiftsgalerie Seitenstetten 21.3.21

Die Ausstellung läft noch bis zum 31.5.2021

Anmerkung: Auf Grund der Coronavirus Pandemie und entsprechender Auflagen durften immer nur wenige Besucher gleichzeitig anwesend sein. Außerdem lag die Eröffnungsrede nur gedruckt vor. Von einem Buffet bzw. musikalischer Begleitung wurde abgesehen.

 

Videorundgang durch die Ausstellung (im .MP4 Format)

 

Eröffnungsrede von Prof. Wolfgang Schreibelmayr

Sehr geehrte Besucher und Besucherinnen der Ausstellung von Otto Jungwirth, hier in der Stiftsgalerie von Seitenstetten,
lieber Otto,

vorerst danke für Deine Einladung heute, zu diesem Anlass ein paar Gedanken äußern zu dürfen. Ja, die Worte sollten eigentlich hier im Maturasaal am 21. März 2021 zum Zeitpunkt der Vernissage ausgesprochen werden. Es sollten Sprache und Musik erklingen und alle Deine Gäste gemeinsam gleichzeitig an diesem Orte sein. Die Herausforderungen der Gegenwart bedingen jedoch, dass Sie, liebe Leser und Leserinnen dieses Textes, nun die Worte nicht hören, sondern in diesem Augenblick in Ihrem eigenen Bewusstsein selber erklingen lassen und ihre Bedeutung bilden. Der Leser, die Leserin ist im Text, der Text evoziert Bedeutung für und durch Ihr Bewusstsein. Solange Sie diese Zeilen nicht lesen, ergibt sich auch keine Information für Sie. Wenn nun dieser logische Zugang aus den Sprachwissenschaften auf die Bildwissenschaften übertragen wird, entsteht die Schlussfolgerung: Der Betrachter, die Betrachterin ist im Bild. Die Bedeutung des Bildes erschließt sich erst in einem Prozess der Bildbetrachtung, an dem beide beteiligt sind, das Bild und die betrachtende Person. Das Werk an der Wand, das äußere materielle Bild regt im Prozess der Werkbetrachtung die Schöpfung eines inneren immateriellen Bildes an. Dieser Prozess findet zwischen Ihnen selbst und dem betrachteten Werk statt. Dabei reagieren Sie einzigartig und subjektiv, auf der Basis Ihrer persönlichen Erlebnissen und gespeicherten Erinnerungen. Das Werk ist ebenfalls einzigartig und von einem Subjekt geschaffen. Gemeinsam schwingen Sie sich wie ein Tanzpaar zu einer koordinierten Bewegung im Raum ein. Sie folgen einer Melodie, einem Rhythmus, vielleicht ganz allmählich anklingend wie aus unendlichen Weiten bis hin zu einer Präsenz wie ein Paukenschlag.

Wer spricht zu Ihnen durch die Werke? Wahrscheinlich ist es ein wesenhafter Aspekt des Menschen Otto Jungwirth. Wer Otto kennt, ein wenig oder sehr gut, wird ihn wiedererkennen in seinen Werken, besser gesagt, das, was Otto oder seine Werke in Ihnen wachruft, das werden Sie wiedererkennen, einen Aspekt Ihrer selbst, Ihrer eigenen Reaktion. Und es kommt noch etwas dazu, nämlich ein Aspekt des Menschen Otto Jungwirth, von dem Sie vielleicht wissen, dass es ihn gibt, doch nun können Sie diesem Aspekt nachfühlen. Es ist sein anteilnehmender Blick auf die Mitmenschen in ihren jeweiligen Bereichen, im Alltag unterwegs, in einer Straßenbahn, vor einer Hauswand oder in einem Park. Es ist der kritische Blick auf Menschen in ihren Beziehungen und Umgebungen, sei es in ihren immateriellen emotionalen Geflechten oder materiell geschaffenen Gehäusen aus Gebautem oder Gewachsenem. Durch die Verinnerlichung der Bilder von Otto Jungwirth treten Sie in Kommunikation mit dem Anteil von ihm, der ihn als Mensch ausmacht. Sie können hier beginnen, mit den Augen des Künstlers auf die Welt zu blicken. Es können sich dadurch Zugänge zu Grundfragen die menschliche Existenz betreffend erschließen, mit denen sich Otto intensiv beschäftigt. Er lässt uns Betrachtende an seiner Weltsicht und Welterfahrung als einer, der genau hinsieht, teilhaben. Seine künstlerische Weise zu arbeiten besteht darin, das Gegenüber im Augenblick der Betrachtung intensiv zu erspüren. In jeder Studie erfühlt Otto das Wesen des Dargestellten im Augenblick neu. Im Prozess des Entstehens seiner Arbeiten baut sich seine Erkenntnis über das Gegenüber auf. Das so Empfundene fließt aus seinem Inneren durch die zeichnende und malende Hand mittels Stiften, Pinsel und Farben nach außen auf den Zeichen- oder Malgrund. Die empfundenen Zusammenhänge werden mittels Punkten, Linien, Flächen, Hell-Dunkel-Werten und Farben zu sichtbaren Zeichen materialisiert. Der Rhythmus und Duktus, welcher diesen Spuren innewohnt, kommt direkt aus der seelischen Bewegtheit des Künstlers, direkt aus seiner Empfindung. Diese Prozesse „fließen“ im Zustand des Zeichnens und Malens.

Auch wenn Otto über die Werke anderer spricht, gewährt er einen Blick auf sein eigenes Wahrnehmen, auf die für ihn selber bedeutenden Merkmale von Gestaltungen. Wenn Otto fasziniert von Zeichnungen oder Malereien seines Künstler-Kollegen Eric Ess spricht, bewegt er seinen ganzen Körper in den wahrgenommenen Richtungen und Formen des betrachteten Werkes mit. Er verinnerlicht im Prozess des Betrachtens und Sprechens die im Werk sichtbaren kompositorischen Spannungen. Otto verkörpert in seiner Mimik, Gestik und verbalen Artikulation die bildhaft dargestellten Inhalte. Ebenso intensiv kann Otto über die Arbeiten seiner Schüler und Schülerinnen sprechen, die aus der Zeit seiner langjährigen Tätigkeit als Schulpädagoge stammen.

Für Otto Jungwirth sind die Prozesse des Zeichnens und Malens in und außerhalb seines Ateliers ein wesentlicher Teil seines Lebens. An jedem Tag möchte er in diesen Zuständen des intensiven Welterlebens durch das Zeichnen und Malen SEIN können. Für ihn ist es ein essentieller Aspekt seines Menschseins - seines Ottoseins.

Und für uns Betrachter und Betrachterinnen Deiner Werke, lieber Otto, ist es eine wunderbare Möglichkeit, mit Dir, mit Deinem unverwechselbaren Wesen, in eine intensive Begegnung treten zu dürfen. Danke für diese Ausstellung! Danke dafür, dass Du Deine Arbeiten, die wie geöffnete Fenster zu Deiner Seele sind, hier für uns präsentierst.

Geschätzte Leser und Leserinnen dieser Zeilen, danke für Ihre Aufmerksamkeit. Vielleicht hören Sie mich später wie eine innere Stimme wieder, im Prozess Ihrer Betrachtung der wunderbaren Werke von Otto Jungwirth.

Alles Gute
Wolfgang Schreibelmayr
21.03.2021